Staatstrojaner

Kritikpunkte zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung

1. Sicherheit aller Systeme wird gefährdet, nicht nur im Einzelfall

Der Einsatz von Trojanern zur Telekommunikationsüberwachung birgt eine strukturelle Gefahr für die Allgemeinheit. Wer ein Gerät mit einer Software infizieren will, muss dafür Lücken in dem System ausnutzen. Dafür aber müssen diese Systeme unsicher sein – damit man sie infizieren kann. Genau hier ist das Dilemma: um im Einzelfall auf ein System zu kommen, beteiligen sich Polizei und Geheimdienste daran, Unsicherheiten für alle zu schaffen.

2. Sicherheitslücken stehen auch Kriminellen offen / Trojaner-Software kann auch geklaut und von Kriminellen missbraucht werden

Werden Sicherheitslücken unter Verschluss gehalten, bringt das alle Nutzer_innen von Geräten in Gefahr, denn diese Möglichkeiten stehen auch Kriminiellen oder feindlichen Geheimdiensten zur Vefügung. Außerdem sind auch staatliche Institutionen und große Firmen nicht vor Hackerangriffen sicher. Immer wieder wurden in der Vergangenheit Quellcodes von solchen Programmen geklaut.

3. Integrität und Vertraulichkeit der Kommunikation aller wird gefährdet

Auf diese Weise gefährden Trojaner ein Grundrecht, das ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 27. Februar 2008 definiert: das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (auch: „IT-Grundrecht“). In diesem wird festgestellt, dass digitale Systeme allgegenwärtig sind und einen extrem hohen Stellenwert in der persönlichen Lebensführung haben. Aus den damit verbundenen Gefahren für Einzelne leitet das Gericht eine besondere Schutzwürdigkeit dieser digitalen Systeme und Geräte ab.

4. Trojaner können technisch viel mehr manipulieren

Trojaner haben immer die Möglichkeit, später weitere Funktionen nachzuladen. Für solche Zwecke sind diese Programme normalerweise auch gedacht: sie ermöglichen vollen Zugriff auf Geräte, damit fremde Personen infizierte Geräte fernsteuern können.  Ihre Funktionsweise kann also je nach Einsatz oder Gerät variieren. Das bedeutet aber auch: Niemand kann garantieren, dass sie wirklich nur gesetzeskonform eingesetzt werden. Durch bestehende Software-Lücken oder einen Trojaner kann auch „Beweismaterial“ auf einem Gerät platziert werden. Dem Chaos Computer Club (CCC) wurde 2011 jedoch die damalige Version des Staatstrojaners zugespielt. Untersuchungen zeigten, dass „aufgrund von groben Design- und Implementierungsfehlern […] außerdem eklatante Sicherheitslücken in den infiltrierten Rechnern [entstehen], die auch Dritte ausnutzen können.“ Expert_innen haben also schon einmal einen solchen Staatstrojaner als nachweislich rechtswidrig entlarvt.

5. Unterscheidung von Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung wird aufgeweicht.

Das Problem bei der Überwachung von Geräten ist, dass es eigentlich nur erlaubt ist, aktuell laufende Kommunikation mitzuschneiden – und auch das nur unter bestimmten Bedingungen. Der Staatstrojaner aber kann technisch viel mehr: Behörden haben durch ihn vollen Zugriff auf alle Daten auf dem infizierten Gerät. Damit gibt es quasi keine Unterschiede mehr zwischen einer Überwachung laufender Kommunikation („Quellen-TKÜ“) und einer vollumfänglichen „Online-Durchsuchung“, bei der Daten sogar gezielt manipuliert werden könnten. Letztere hat das Bundesverfassungsgericht 2008 verboten und das oben genannte „IT-Grundrecht“ geschaffen.

6. Der Einsatz ist nicht verhältnismäßig

Das Bundesverfassungsgericht kippte 2016 auch das BKA-Gesetz. Verdeckte Maßnahmen dürften ausschließlich zur Abwehr von Gefahren durch den internationalen Terrorismus eingesetzt werden, um nicht die Grundrechte aller Bürger_innen zu verletzen, so die Richter. Die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen sei nur dann gegeben, wenn „überragend bedeutende Rechtsgüter“ betroffen seien. Die Bundesregierung musste im BKA-Gesetz daher 2017 die bemängelten Passagen neu formulieren.

Heute wird versucht, diesen uns alle gefährdenden(!) Staatstrojaner über die Länderebene und durch Änderungen von Landes-Polizeigesetzen einzuführen. Dagegen wehren wir uns entschlossen!